Meditation

Wie alles und wie der Mensch selbst hat Meditation eine äußere und eine innere Seite, die aber oft vermischt oder verwechselt werden.
Die äußere Seite der Meditation könnte man Methode oder Technik nennen, die innere Seite ist ihr Wesen. Und wie so oft zeigen sich auf der äußeren Seite viele Unterschiede, über die man sprechen oder diskutieren kann, die innere Seite jedoch ist wesensgleich. Und gleichzeitig müssen wir darauf achten, die äußere und innere Seite des Menschen, aller Phänomene und auch der Meditation als eine Einheit, ein Ganzes zu sehen.
Deshalb erfordert bereits das Erkennen des Wesens der Meditation Meditation, denn in diesem Erkennen liegt bereits die ganze Komplexität und Einfachheit allen Seins.

Die Innenseite der Meditation

Ich beginne mit der „Innenseite“: In der Meditation er-innern wir uns und kehren zurück zu unseren Wurzeln: Der grundlegenden Gutheit, der Weite und Klarheit des Raumes und des Geistes selbst – weit vor jedem Gedanken oder Gefühl. Wir tun dies jedoch – und das ist wesentlich – ohne die Vielfältigkeit unseres Erfahrens an Wahrnehmung, an Gedanke und an Gefühl zu verleugnen oder abzuschalten. So werden wir Buddhas Herz-Sutra gerecht:
„Form ist Leerheit und Leerheit ist Form. Weder ist Form verschieden von Leerheit, noch Leerheit verschieden von Form. Dasselbe gilt für Gedanken, Gefühle, Handlungen und Bewusstseinszustände.“
Meditation ist also von Präsenz, Klarheit, Weite geprägt. Sie ist weder dumpf noch erregt.

Die Außenseite der Meditation

Das Außen, die Methode: Da gibt es viele Mittel und Wege in allen Kulturen. Meditation ist in allen großen spirituellen Traditionen verwurzelt, gehört zur Kultur der Menschheit.

Als Beispiele hier zwei grundsätzliche Methoden des Buddhismus: Die Methode der Einsgerichteten Meditation und die der wachen Präsenz.

In der Einsgerichteten Meditation konzentrieren wir uns auf einen Punkt ohne den Geist abschweifen zu lassen. Der Punkt der Konzentration kann eine Kerze oder ein Bild sein, häufiger aber der eigene Atem. Den Atem zu beobachten ist die ursprüngliche Meditationsmethode Buddhas. Sie hat viele Vorteile: Der Atem ist stets da, solange wir leben. Er ist zutiefst mit unserer Lebendigkeit und mit unseren Emotionen und Gedanken verbunden. Er geht von alleine, wir müssen ihn nicht bewusst steuern. Wenn wir also üben, den Atem zu beobachten, dann üben wir uns darin, Bewusstheit in unbewusste Vorgänge unseres Geistes zu bringen. Das hat direkte Auswirkungen auf unser Leben – auf unseren Umgang mit Emotionen, Gedanken und Handlungsimpulsen, und regelmäßig und ehrlich praktiziert, werden Gelassenheit, Weite und Humor gegenüber unseren Emotionen und vor allem ein Sich-selbst-nicht-so-wichtig-Nehmen in unser Leben einziehen.

Die Meditation der wachen Präsenz ist eine Methode ohne Konzentrationsobjekt, wobei wir aber die Wachheit und Klarheit des Geistes aufrecht erhalten. Du sitzt, du atmest, Gedanken kommen, Gedanken gehen, Gefühle kommen, Gefühle gehen, du verhinderst sie nicht, du folgst ihnen nicht, du mischst dich nicht ein, du bist still, in Frieden, in Gelassenheit, egal was geschieht in dir. Ich liebe diesen Text des tibetischen Meisters Padmasambhava: „Im unendlichen Mandala des Raumes haben alle Phänomene leicht Platz, sie haben Platz und da ist immer noch Weite. Im leeren Mandala der Geistessenz finden Erscheinungen und Dasein, Götter und Dämonen leicht Platz. Sie alle finden Platz und doch bleibt immer noch Weite.“ Und dann entdeckst du die Lücken: Keine Gedanken kommen, keine Gefühle – Raum tut sich auf… und hier gibt es kein Ende… so weit, so unendlich. Wenn du das entdeckst, erkennst du, dass alles in Dem erscheint und in Das wieder vergeht. Du erkennst, dass alles kommt und geht, alle Formen, alle Gefühle, alle Gedanken, alle Handlungen, alle Erfahrungen des Bewusstseins kommen – aber Das bleibt. Dieses Erkennen geschieht nicht im Verstand, sondern essentiell in der Tiefe deines Wesens in einer Begegnung jenseits von Begegnung, in einer Begegnung von Buddhanatur mit Buddhanatur.

Die Frucht der Meditation

Die Frucht der Meditation zeigt sich im Leben, im Alltag. Und Meditation und Mitgefühl, Achtsamkeit und Hingabe sind die Schwingen auf denen du in die Unendlichkeit fliegst und Trennung transzendierst.

Meditation ist jenseits von Methode und bedarf ihrer doch – zumindest unterwegs. Meditation ist innen und hat zugleich immense Auswirkungen auf unser individuelles Außen – z.B: auf die Funktionen unseres Gehirns. Meditation wirkt sich dann auch aus auf unser Zusammensein als Menschen, auf unsere Kreativität, auf unser Schaffen und Wirken, das zunehmend von Freundlichkeit, Liebe und Mitgefühl geprägt sein wird anstatt von Angst, Zorn und Gier.
Die Einheit von innen und außen bedeutet natürlich auch, dass Meditation, bleibt sie in ihrer täglichen halben Stunde eingesperrt, verdorrt, während sie blüht, wenn wir ihr gestatten unser ganzes Leben mit ihrem Duft zu durchdringen.

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